Über das Leben und Schaffen von Martin Anger (1906 bis 1943) |
1906 1926 1926- 1928- 1932 1932- 1939- 1943 1948 |
in Borstendorf/Erzgebirge geboren
Abitur in Leipzig Akademie für Graphik in Leipzig Akademie für Kunstgewerbe Dresden Studienabschluß als Kunsterzieher Lehrtätigkeit in Dresden, es entsteht eine Soldat in Deutschland, Frankreich, Polen in Rußland vermißt für tot erklärt |
Selbstbildnis Aquarell (1940) |
Auszüge aus der Ansprache zur Ausstellungseröffnung 1998 mit Bildern von Martin Anger, in Dresden,
von Frau Ulrike Sanne Vorallem seiner Tochter Petra Anger ist es zu verdanken, dass der durch Kriegswirren völlig in Vergessenheit geratene deutsche Maler nun endlich mit seinen Bildern einen Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Ich möchte Sie zunächst mit einem Gedicht von Martin Anger auf sein Schiksal einstimmen, welches stellvertretend für eine ganze Generation junger Künstler dieser Zeit steht. | |
SelbstbildnisIn mir selbst beharrend bin ich wie ein Stein, Viele Träume rauschten wie Bäche über mich her, | |
Dieses Gedicht schreibt Martin Anger am 24. Mai 1942 in Crailsheim. Es drückt sehr klar seine Gefühlslage während seiner Zeit als Soldat aus. Wie viele andere junge Männer teilt er das tragische Schiksal aus seinem Leben heraus gerissen, weit weg von der jungen Familie in den Krieg geschickt zu werden. Und wie viele andere muß er lernen mit dem Gedanken umzugehen, vielleicht im Krieg zu sterben und nicht heimkehren zu können. Sein Schiksal jedoch ist sehr persönlich. Martin Anger wird 1906 als Kind eines Pfarrerehepaares in Borstendorf im Erzgebirge geboren. Seine Kindheit und Jugend wird von altgriechischer Erziehung geprägt. Er besucht ein humanistisches Gymnasium, an dem er 1926 sein Abitur besteht. Überzeugt verfolgt er seine Leidenschaft zur Malerei und studiert an der Akademie für Grafik in Leipzig bis 1928. Anschließend an der Akademie für Kunstgewerbe in Dresden. Während dieser Zeit lernt Martin Anger neben anderen Dresdner Künstlern das Künstlerehepaar Lea und Hans Grundig kennen. Die Situation für Künstler in den zwanziger und dreißiger Jahren in Dresden ist sehr schwierig. Die Inflation macht es undenkbar, Ausstellungen zu finanzieren und zu realisieren. So bleibt auch Martin Anger ohne solche. Wie üblich für diese Zeit treffen sich die Künstler in den Abendstunden in Millieulokalen, um sich dort über ihre Arbeiten auszu- tauschen. So ist auch die Bekanntschaft von Martin Anger zu Otto Dix einzuordnen. Mit dem Lehramtsstudium gibt er dem energischen Drängen seines Vaters nach, einen sogenannten ordentlichen Beruf zu er- lernen,um sich so finanziell abzusichern. 1932 schließt er sein Studium erfolgreich in den Fächern Zeichnen, Kunsterziehung und Geographie ab. Martin Anger fühlt sich zum Maler berufen und sieht seine Tätigkeit als Lehrer nur aus existentieller Notwendigkeit. Bis 1939 arbeitet er als Lehrer in Dresden. Im Laufe dieser Zeit entstehen viele seiner Aquarelle und Ölbilder, von denen Sie in unserer Galerie einige Arbeiten sehen können. 1939 wird Martin Anger als Soldat eingezogen. Der Krieg verschlägt ihn über Deutschland nach Polen, Frankreich und Rußland. Seit dem 16. Dezember 1943 verlieren sich seine Spuren in Rußland. Für Martin Anger waren seine Bilder, wie auch seine Gedichte und sein Tagebuch, eine Art seelischer Rettungsanker, vor allem während des Krieges. Indem er sehr viel und sehr intensiv malt und schreibt versucht er seine Gedanken über den Tod, seine Einsamkeit und seine Sehnsucht nach seiner Familie zu überwinden oder zumindest erträglich zu machen. So bittet er seine Frau in zahlreichen Briefen ihm immer wieder Malmaterial zu schicken. Zuletzt am 12. Dezember 1943, vier Tage bevor er vermißt wird, schreibt er: "Schicke mir blitzschnellstens alle erreichbaren Aquarellfarben und zwei große weiche Pinsel. Wenn ein Farbkasten da ist schicke ihn mit. Ich warte darauf. Ich brauche alles dringenst zur Erhaltung meines Gleichgewichtes. Klar?" Bei der Betrachtung seiner Werke, hat mich die Wahl der Motive seiner Bilder und deren Umsetzung überrascht, sowie das Beharren an der Darstellung der Schönheit der Landschaft selbst in Kriegszeiten. Statt Landschaftsdarstellungen erwartet man in diesen Jahren eher kritische Arbeiten, die seine schrecklichen Kriegseindrücke wiedergeben. Während der Jahre 1939 bis 1943 entstehen zwar auch kritische Arbeiten, doch in den meisten seiner Werke schafft er sich eine Harmonie, die ihn von den täglichen Schrecken des Krieges ablenkt. Seine Bilder wirken sehr ruhig und haben eine positive Ausstrahlung. Es erscheint schwierig ihn mit den Künstlern seiner Zeit zu vergleichen. Martin Anger experimentiert viel.Er macht sich die Vielfältigkeit der Motive, und auch der Techniken zu Nutze. Er malt viel in der freien Natur.Bei der Wahl der Motive handelt es sich um einfache Landschaften und Dörfer. Insbesondere reizt ihn die Darstellung der Stadtidylle. Erst die Umsetzung von dem Gesehenen und Erfahrenen bringt Lebendigkeit, manchmal auch Unruhe ins Bildgeschehen. Es entsteht Spannung durch den Kontrast des ruhigen Motives und der Art wie der Künstler es malerisch umsetzt. Auffällig sind die immer wiederkehrenden starken und bewegten Umrißlinien, die in sich sehr unregelmäßig verlaufen. Diese Umrißlinien umranden nicht nur, sie betonen nicht nur, sondern sie bestimmen die Form des Einzelmotives und schaffen das Gegenständliche im Bildgeschehen. Sie stehen im starken Kontrast zu den oftmals sehr farbintensiven Flächen, die ohne klare Formgebung bleiben. Durch den konsequenten Einsatz der Linie haben die Bilder oft einen skizzenhaften Charakter. Die Wahl der Farben nimmt einen wichtigen Bestandteil in den Arbeiten ein. Ein Stück weit abstrahieren sie seine Bilder. Er gibt nicht die von der Natur gegebene Farbfielfalt wieder. So erscheinen Bäume z.B. in einem kräftigen blau. Martin Anger interpretiert mit Hilfe der Farbe. Ganz gezielt setzt er Farbe ein, um seinen subjektiven Eindruck, seine ganz persönliche Empfindung von Licht, Schatten und der Atmosphäre des Motives z.B. der Landschaft wiederzugeben. Es entstehen expressive Bilder. Neben Landschafts- und Stadtdarstellungen hat er sich selbst als Motiv entdeckt. Die Art, wie er sich selber darstellt und somit auch die Bedeutung seiner Selbstbildnisse hat über die Jahre ein Wandel erfahren. Dies läßt sich schön im Vergleich an den beiden hier ausgestellten Selbstbildnissen erkennen. Das eine Bild (1930) in satten Schwarz- und Rottönen zeigt den jungen Martin Anger in frontaler Ansicht. Es wirkt durch die Wahl der Farben als befände er sich im Aufruhr. Völlig anders stellt er sich 1940 dar. Hier sieht der Betrachter den Maler seitlich von vorne vor seiner Staffelei sitzend, die rechte Hand auf dem Herzen ruhend, mit ernstem Blick auf den Betrachter gerichtet. Sehr malerisch, im Fluß der Aquarellfarben, wie üblich das Spiel der Linie integrierend, versucht er seine äußere Gestalt und seinen Charakter harmonisch im Bildgeschehen umzusetzen. Ein gelungenes Wechselspiel zwischen optischer Wahrnehmung seiner Selbst und seelischer Empfindung. Er selber beschreibt diesen Wandel in einer Abhandlung über seine Referendarzeit wie folgt: "Als "Maler" hielt ich es für wesentlich, einen Charakterzug, eine psychologische Möglichkeit besonders zu betonen und zu gestalten." Und später schreibt er weiter: "Der Einfluß der Arbeit an den Schülern brachte mich dazu, dem im Portrait Dargestellten im Sinne der äußeren, naturhaften Erfassung, der Vollständigkeit, der "Richtigkeit" wie ich oft von Schülern hörte gerecht zu werden. Früher dagegen vernachlässigte ich diese "Richtigkeit" zugunsten einer gestalteten "Intensität", die sich aus der Wechselwirkung zwischen subjektiver Meinung und Darstellungsobjekt ergab." Ich hoffe Ihnen durch meine Eindrücke einen Einblick in das Werk und vorallendingen den Menschen Martin Anger gegeben zu haben. und ihm damit gerecht werde. Seine Tochter hat mit viel Mühe und Sorgfalt einen kleinen Band mit Gedichten und Bildern des Künstlers zusammengestellt, den wir Ihnen hier vorstellen. Seine Gedichte stellen ein ergreifendes Zeitzeugnis eines Deutschen Malers dar. |
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